Der Bauherr hat grundsätzlich Anspruch auf eine mangelfreie Leistung. Doch wie viele Kratzer, Risse, Farbabweichungen, Unebenheiten oder Verschmutzungen sind in einer noch mangelfreien Leistung zulässig? Denn bei der visuellen Beurteilung von Malerarbeiten ist zu berücksichtigen, dass es sich um Applikationen und somit um Leistungen handelt, welche in handwerklicher Ausführung und unter verschiedenen Bedingungen erstellt wurden. Sie können deshalb auch nicht die exakte Gleichmäßigkeit industriell hergestellter Produkte aufweisen, die unter stets gleichartigen Bedingungen, wie beispielsweise Klima und Beleuchtung, meist maschinell in Serie gefertigt werden. Speziell im Streiflicht ist es unvermeidbar, dass arbeitsprozessbedingte minimale Unregelmäßigkeiten sichtbar werden.
Es gehört zu der Eigenart einer handwerklichen Bauleistung, dass sie nicht eine absolute Geradlinigkeit oder Exaktheit im mathematischen Sinne aufweist. Bei den optischen Beeinträchtigungen geht es um die Frage, welche Störwirkung Blasen, offene Stöße, Verschmutzungen, Unebenheiten usw. auf einen Betrachter haben. Wenn das zulässige Maß an optischen Unregelmäßigkeiten, z. B. in Form von sich abzeichnenden Gerüstlagen an Fassaden, überschritten ist, liegen Mängel vor. Diesen Mängeln können, sofern die betroffenen Parteien damit einverstanden sind, monetär in Form einer Minderwertermittlung abgegolten werden.
Eine Minderwertermittlung kann in Betracht gezogen werden, wenn eine Nachbesserung für den Auftragnehmer nach allgemeiner Verkehrssitte einen im Vergleich zum zu erwartenden Wertzuwachs für den Auftraggeber unverhältnismäßig hohen Aufwand darstellt. Dem Ganzen liegt folglich eine Kosten-Nutzen-Relation zugrunde. Der BGH führte zu dieser Thematik bereits im Jahre 1993 Folgendes aus: "Unverhältnismäßig sind die Aufwendungen für die Beseitigung eines Werkmangels dann, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht".
Von einem nicht mehr vertretbaren Aufwand kann im Regelfall gesprochen werden, wenn Mängel oder Unregelmäßigkeiten die Funktions- oder Gebrauchstüchtigkeit des Werkes nicht oder nur unerheblich beeinträchtigen. Meist kommt eine Unverhältnismäßigkeit nur dann in Betracht, wenn es sich um "Schönheitsfehler" handelt.